Der Coelostat ist ein Hilfsmittel in der praktischen Astronomie, um mit statischen Fernrohren den Objekten am Himmel trotz der Himmelsdrehung folgen zu können. Über ein oder zwei motorisch angetriebene Spiegel gelangt das Licht, meist der Sonne, auf das fest installierte Beobachtungsgerät.
Dank Hinweisen und Dokumenten in unserem Archiv stellte sich heraus, dass bei Kern mehrere Typen dieser Geräte in den 1950/60er Jahren entwickelt und produziert worden sind. Die Stückzahlen waren gering und deshalb blieben wohl die Verbreitung und die Bekanntheit begrenzt.
Aus dem Nummernbuch 45 geht hervor, dass von Kern Aarau im Oktober 1951 vier Coelostaten 20cm an die Eidgenössische Sternwarte Zürich geliefert wurden, bestellt vom damaligen Institutsleiter Prof. Max Waldmeier. Zum Einsatz kamen sie auf Expeditionen diverser Sonnenfinsternissen, weltweit. Das Video Portal der ETH Zürich enthält 16 Videos, auf denen über die Expeditionen und den Einsatz der Kern-Coelostaten ausführlich berichtet wird.
Einem Brief vom 26. April 1980 von Prof. Waldmeier an die Firma Kern entnimmt man, dass die Firma Kern 1954 noch einen weiteren 30cm Doppelcoelostaten an die Eidgenössische Sternwarte geliefert hat. Dieser stand noch bis 1980 im täglichen Einsatz an der Specola Solare in Locarno-Monti. Waldmeier befürchtete in diesem Brief, dass die beiden Aussenstationen Arosa und Locarno auf Ende 1980 "liquidiert" werden sollen. Mit der Station Locarno, dem heutigen IRSOL, lag er zum Glück falsch. Die Geschichte des Observatoriums Arosa ist bekannt.
Unten: Sonnenfinsternis-Expeditionen ab 1952, die Bilder dokumentieren den Einsatz der Kern-Coelostaten 20cm:
Die beiden andern Kern-Coelostaten 20cm befinden sich am IRSOL. Der eine steht noch heute regelmässig im Einsatz, um Besuchern das Sonnenspektrum zu zeigen.
Der grössere Kern-Doppel-Coelostat 30cm mit der Seriennummer 50033 war 1991 an der nationalen Forschungsausstellung Heureka, der 700-Jahr-Feier der Schweiz in Zürich zu sehen. Heute befindet er sich im Archiv am IRSOL. Dank der Seriennummer gelangten wir im Nummernbuch 47 auf weitere Informationen und im Archiv auf Mappen mit Konstruktionszeichnungen.
Auf der Suche nach Bildern wurden wir in der Sammlung wissenschaftlicher Instrumente und Lehrmittel, ETH Zürich fündig. Waldmeier setzte diesen speziellen Coelostaten erstmals anlässlich der Sonnenfinsternis-Expedition 1955 im damaligen Ceylon ein. Dort findet man auch den Hinweis, dass eine ausführliche Beschreibung dieses einmaligen Gerätes in einem Artikel in der Zeitschrift für Astrophysik zu finden sei. Dank der umfangreichen Datenbank des Astrophysics Data System gelangten wir zum entscheidenden Dokument mit einer ausführlichen Beschreibung des Doppel-Coelostaten 30cm, seines Einsatzes und dem Verlauf der Expedition.
Waldmeier beschreibt in dieser Mitteilung Nr. 204 nicht nur den detaillierten Aufbau des Coelostaten, sondern lobt die gelungene Konstruktion, beschreibt den neuartigen Antrieb und seine Vorzüge beim praktischen Einsatz:
"Bei der Neukonstruktion eines Coelostaten, welcher nach den Angaben des Verfassers von der Firma Kern & Co., Fabrik für optische und geodätische Instrumente in Aarau (Schweiz) gebaut worden ist, wurde deshalb die vom Regulator gelieferte, relativ hohe Geschwindigkeit, nicht mehr durch Zahnräder, sondern in neuartiger Weise durch Friktionsräder untersetzt. Da es sich bei diesem Coelostaten um eine neuartige Konstruktion handelt, welche sich aufs vorzüglichste bewährt hat, sei im folgenden an Hand von Abb. 2 eine kurze Beschreibung desselben gegeben."
Als Doppel-Coelostat verfügt er über zwei Spiegel mit 30cm Durchmesser. Gemäss der Astronomischen Mitteilung Nr. 206 der Eidgenössischen Sternwarte Zürich projizierten die beiden Spiegel das Sonnenlicht auf eine 8m-Horizontalkamera mit einem Objektivdurchmesser von 12cm und auf eine Horizontalkamera mit 2,3m Brennweite und einer Öffnung von 11cm.
Wie Prof. Waldmeier 1980 in seinem Brief an Kern mitteilte, wurden die Coelostaten auf zahlreichen Sonnenfinsternis-Expeditionen, zum letzten Mal bei derjenigen im Februar 1980 nach Indien, eingesetzt. Der Doppel-Coelostat stand damals noch täglich im Einsatz auf der Station in Locarno.