Das Astrophysikalische Observatorium auf dem Tschuggen in Arosa war eine Aussenstation der Eidgenössischen Sternwarte in Zürich und wurde 1939 auf Initiative und nach Plänen von Max Waldmeier erbaut. Er wurde 1945 zum Leiter der Sternwarte ernannt und war verantwortlich über die Forschungsarbeiten in Arosa.
Der Koronagraph wurde im Jahre 1938 durch die Firma Kern & Co. AG, Aarau, gebaut, um damit über mehrere Jahrzehnte die Sonnenkorona zu beobachten und graphisch in Diagrammen festzuhalten.
Eine Beschreibung des Kern-Koronagraphen, die Arbeiten damit und die graphischen Aufzeichnungen sind im Buch Die Sonnenkorona: Beobachtungen der Korona von 1939-1949 von Prof. Dr. Max Waldmeier im Springer-Verlag, 1951, erschienen.
Fast 500 Veröffentlichungen und zahlreiche Filmaufnahmen zeugen vom intensiven Gebrauch des Koronagraph über fast 40 Jahre. Nach seiner Pensionierung 1980 wandte sich Prof. Waldmeier mit einem Brief an die Firma Kern, mit der Bitte sich um den Erhalt "ihrer" Instrumente zu bemühen.
Gerne hätten wir hier ein aktuelles Bild des Kern-Koronagraphen aus dem Observatorium Arosa veröffentlicht. Im Süd-West-Turm, wo er ab 1965 gestanden haben soll, waren 2017 nur noch die drei Fundamente sichtbar. Über den Verbleib des Gerätes und den Zeitpunkt seines Abbaus gibt es keine Informationen.
Die Studiensammlung Kern verfügt in ihrem Archiv über eine Mappe mit einem technischen Beschrieb mit vielen Konstruktionsskizzen sowie diversen Übersichts- und Detailzeichnungen.
Nach der erfolglosen Suche im Observatorium Arosa erfuhren wir, dass möglicherweise in Zürich, an der ehemaligen Eidgenössischen Sternwarte über den Verbleib des Koronagraphen von Kern mehr zu erfahren sei.
Herr Christian Monstein vom Institut für Teilchenphysik und Astrophysik der ETH Zürich öffnete uns freundlicherweise die Türen zur Hauptkuppel (Bild) und zu dem 1951 erstellten Sonnenturm. Die dort installierten Geräte entsprachen aber leider nicht dem Gesuchten.
Man vermutete, der Koronagraph sei um 1980 in Arosa abgebaut und letztmals in einem Magazin der ETH gesichtet worden.
Die Suche nach dem Koronagraphen von Arosa verlief erfolglos. Weder im Observatorium in Arosa noch in der ehemaligen Eidgenössischen Sternwarte in Zürich fanden sich Spuren des 2,5 Meter langen Fernrohres mit seiner Spezialoptik. Weitere Nachfragen an den Sternwarten Winterthur (Eschenberg) und Bülach brachten auch keine neuen Erkenntnisse.
Ist das einmalige Gerät mit seiner interessanten Geschichte definitiv verloren? Uns bleiben noch die zahlreichen Dokumente und Zeichnungen in unserem Archiv und die Hoffnung, dass uns der Zufall eines Tages zu Hilfe kommt.
Und das war der 30. Dezember 2020, als uns eine Nachricht zukam, der Koronagraph von Arosa sei zum Verkauf ausgeschrieben.
Nachdem einige Observatorien in Europa und Übersee ihr Interesse am Erwerb des Koronagraphen bekundet hatten, ging dieser am 20. März 2021 an die Astronomische Gesellschaft Graubünden (AGG). Sie hatte wohl die besten Argumente, die mit dem Ankauf verbundenen Bedingungen zu erfüllen. Zusammen mit der Astronomischen Arbeitsgemeinschaft Aalen e.V. (AAAA), verantwortlich für die Zeiss-Komponenten und den Mitarbeitern der Arbeitsgruppe der Sammlung Kern (AGK), sollte es gelingen, dieses einmalige, historische Gerät zu restaurieren und wieder in Betrieb zu nehmen.
Am 23. Mai 2021 traf sich am neuen Lagerort eine Delegation der Experten der beteiligten Institutionen, um den Kern-Koronagraphen genauer unter die Lupe zu nehmen. Ziel war es, eine Bestandesaufnahme der vorhandenen Teile zu machen, ob alle Teile komplett vorhanden sind, welche zu reparieren oder zu sanieren sind und ob Teile neu angefertigt werden müssen.
Bereits vor der Abholung im März 2021 wurde festgestellt, dass die ganze Montierung samt Säule vor 1938 von Zeiss Jena gefertigt wurde und bereits in der Sternwarte Prätschli gestanden hat. Beim Bau des neuen Astrophysikalischen Observatorium Tschuggen wurde dann 1939, der von Max Waldmeier bei Kern bestellte Koronagraph installiert. Über das Schicksal des Zeiss-Refraktors ist leider nichts bekannt.
Für Juli 2021 sind Restaurierungsarbeiten geplant. Der provisorische Zusammenbau der einzelnen Baugruppen soll in Angriff genommen und auf Funktionalität geprüft werden.
Wie geplant trafen sich Mitte Juli die Vertreter der beteiligten Institutionen zur weiteren Instandstellung des Koronagraphen. Nach vier arbeitsreichen Tagen konzentrierter Arbeit wurden die zweiteilige Säule, das Achsenkreuz, der Regulator, das Fernrohr und viele Kleinteile gereinigt, geschliffen, lackiert und die Getriebe eingefettet. Man stellte zufrieden fest, dass sowohl die Optik wie auch die Mechanik nach so langer Lagerzeit einwandfrei funktionierten. Der Höhepunkt der Arbeitswoche war der Zusammenbau aller Einzelteile, mit Ausnahme des Fernrohres. Man erkannte erstmals die beeindruckende Höhe der Installation.
Und genau dies führte zur Erkenntnis, dass der Koronagraph nicht im neuen Turm gestanden haben kann. Laut einem Bericht von Waldmeier von 1961 bestand die Absicht, nur sein Fernrohr auf ein damals noch neu zu beschaffendes Gerät zu montieren.
Wenn aber der Koronagraph auf dem neuen Instrument montiert war, wo hat dann die Säule bis zu ihrer vorgesehenen Verschrottung gestanden?
Noch sind viele Fragen offen. Mit dem Studium der Tätigkeitsberichte und den zahlreichen Veröffentlichungen dürfte es aber möglich sein, noch weitere Geheimnisse zur Geschichte des Koronagraphen zu lüften.