In der Vermessung bedeutet Tachymetrie "Schnellmessung". Verglichen mit der früher üblichen Distanzmessung mit Messbändern und Messlatten (direkt) bietet die mechanisch-optische Tachymetrie (indirekt) wesentliche Vorteile. Mit der Reduktion wird die ursprünglich schief gemessene Distanz in die Horizontale "reduziert". Mit aufwändigen mechanischen Vorrichtungen erübrigen sich die früheren umfangreichen trigonometrischen Berechnungen.
Dieter Keupen, der Autor dieser Seite, befasst sich seit vielen Jahren mit der Thematik. Er beschreibt in fünf Abschnitten ausführlich die verschiedenen Systeme mit den entsprechenden Instrumenten unterschiedlicher Hersteller. Er ist auch im Besitz einer umfangreichen Sammlung.
Diagramm- oder Kurventachymeter gehen zurück auf das Hammer-Fennel-Tachymeter von 1900. Aber schon 10 Jahre vorher hatten die italienischen Ingenieure Roncagli und Urbani einen Entwurf, statt der festen Distanzfäden nach Reichenbach zwei Paar Distanzmessstriche auf einer in der Bildebene des Fernrohrs horizontal und rechtwinklig zur Ziellinie verschiebbaren Glasplatte anzubringen. Das war die Grundlage der Entwicklung der Diagrammtachymeter: die optische Steuerung des Strichabstands in Abhängigkeit der Fernrohrneigung. Nach E. Hammer sollten berechnete Kurven zunächst auf eine Strichplatte aufgetragen und diese mechanisch von der Kippbewegung des Fernrohrs gesteuert werden. Nach A. Fennel wurde dann für die mechanische Steuerung die günstigere Form der polaren Kurvendarstellung genommen.
Man kann das Konstruktionsprinzip von Hammer/Fennel kurz so beschreiben: Anstelle des festen Distanzstrichpaars werden Kurvenpaare in die Okular-Bildebene abgebildet, deren Abstände sich mit der Neigung des Fernrohres entsprechend den Reduktionsformeln für Distanz und Höhenunterschied ändern. Man konnte die Diagramme entweder in die Fernrohr-Bildebene abbilden oder die Diagrammplatte selbst anstelle oder neben der festen Strichplatte anbringen.
Eine neue Epoche der Diagrammtachymeter begann mit dem Vorschlag des Norwegers Dahl, die Distanz-und Höhenkurven auf einem gläsernen Höhenkreis aufzutragen. Diesen Vorschlag, bei dem das ganze Gesichtsfeld frei blieb, verwirklichte Zeiss Jena 1942 im Dahlta. Die Entfernungs- und Höhenkurven befanden sich direkt auf der Vertikalkreisscheibe. Zur Verminderung von Parallaxen im Dahlta von 1942 kam im Dahlta 020 von 1952 das reelle Bild einer gesonderten Kurvenscheibe als bewegliche Strichplatte des Fernrohrs zum Einsatz. Vertikalkreis und Diagrammkurven waren getrennt, wodurch das Fernrohrgesichtsfeld auch vom bisher störenden Höhenkreis befreit wurde. Horizontal- und Höhenkreis konnten gemeinsam in dem neben dem Fernrohr-Okular liegenden Skalenmikroskop abgelesen werden. Durch die Abbildung in der Ebene des Kurvenkreises und in der Ebene des Strichkreuzes erschienen Diagramm und Strichkreuz scharf und die Parallaxe war ausgeschaltet.
Beim Wild RDS wurde 1950 die Trennung von Vertikalkreis und Diagrammkreis mit Hilfe eines Planetengetriebes genutzt. Der Diagrammkreis ist auf der Kippachse drehbar angeordnet und dreht sich beim Kippen des Fernrohrs. Das Fernrohr ist mit einem äußeren Zahnkranz fest verbunden, zwei Planetenräder sind am Fernrohrträger befestigt. Bei Drehung des Fernrohrs dreht die Innenverzahnung des äußeren Zahnkranzes die zwei Planetenräder dreimal so schnell. Diese drehen wiederum das mit dem Diagrammkreis fest verbundenen innere Zahnrad genauso schnell wie sie sich selbst drehen, jedoch in entgegengesetztem Sinn. Durch die Übersetzung zwischen Fernrohr und Diagrammkreis dreht sich der Diagrammkreis um 400 gon, wenn das Fernrohr um 100 gon gekippt wird.
Im Kreisdiagramm-Tachymeter Ta-D1 nach Bezzegh von MOM Budapest, sind Vertikal- und Diagrammkreis ebenfalls getrennt. Mit Hilfe einer Zahnradübertragung wird beim Kippen des Fernrohrs der Diagrammkreis mit gleicher Winkelgeschwindigkeit wie das Fernrohr in entgegengesetzter Richtung gedreht. Durch den so entstehenden doppelten Betrag des Höhenwinkels nehmen Distanz- und Höhenkurven die Gestalt von Kreisbögen mit verschiedenen Mittelpunkten an, die verhältnismässig einfach zu konstruieren sind.
Der Doppelkreis-Theodolit Kern DKR besitzt zusätzlich eine Reduktionseinrichtung und ist damit ein Diagramm-Tachymeter. Das Diagramm ist auf einer Kreisscheibe aufgetragen, die exzentrisch unmittelbar vor der Strichplatte am Okular angebracht ist. Beim Kippen des Fernrohrs dreht sich die Kreisscheibe durch einen Kegelradantrieb viermal übersetzt um das unterhalb der Fernrohrachse liegende Zentrum in der Strichplattenebene. Damit hat der DKR ebenfalls einen vierfachen Winkelbetrag für die Drehung der Kurvenscheibe gegenüber dem Fernrohr. Wie bei den anderen Diagramm-Tachymetern sind der Vertikalstrich, das zentrische Achsenkreuz und die festen Distanzstriche auf einer zweiten, feststehenden Glasplatte aufgetragen. Statt der gemeinsamen Grundkurve für Entfernungs- und Höhenkurven enthält die Glasplatte aussen zwei Distanzkurven und innen zwei Höhenkurven, also insgesamt 4 Kurven. Daraus folgt, dass die Null-Einstellungen an der Messlatte jeweils für die Distanzablesung und für die Höhenablesung gesondert zu machen sind. Die DKR-Reduziertechnik ist die gleiche wie bei der Kern Kippregel Nr. 79 und der Reduktionskippregel RK ab 1951. Der DKR wurde 1963 durch den Kern K1-RA abgelöst.
Das neuartige mechanische Reduktionssystem des Kern K1-RA von 1963 ergibt ein sehr einfaches und übersichtliches Ablesebild. Anstelle der bis anhin üblichen Diagrammen erfolgen die Ablesungen an zwei geraden, waagerechten Strichen. Auf einer festen Strichplatte sind ein senkrechter und ein zur Hälfte doppelt ausgezogener, waagerechter Grundstrich angebracht. Ein zweiter waagerechter Ablesestrich befindet sich auf einer beweglichen Strichplatte. Ein Getriebe hebt oder senkt diese entsprechend der Fernrohrneigung über einen Exzenter. Der Lattenabschnitt zwischen diesen beiden waagerechten Strichen ergibt immer die Horizontaldistanz. Derselbe bewegliche Strich dient auch zum Ablesen der Höhendifferenz. Zu diesem Zweck wird der randrierte Ring von der Stellung "D" auf die Stellung "∆H" gedreht. Damit wird der Exzenter um 180° gedreht und steuert nun die bewegliche Strichplatte so, dass der Lattenabschnitt direkt der Höhendifferenz entspricht. Der Vertikalkreis des K1-RA trägt eine Tangensteilung, Die Höhendifferenz kann auf zwei verschiedene Arten bestimmt werden: entweder direkt durch eine Ablesung an der Vertikallatte mit Hilfe der beiden Horizontalstriche oder berechnet über die Horizontaldistanz mit dem Tangens des Höhenwinkels α.
Beim Doppelkreis-Reduktionstachymeter Kern DK-RV von 1960 sind für die Entfernungsmessung drei Striche notwendig, ein senkrechter, ein waagerechter und ein geneigter Strich. Der horizontale Grundstrich und der Vertikalstrich befinden sich auf einer festen Strichplatte. Der schiefe Ablesestrich auf einer beweglichen Strichplatte wird vom Reduktionsgetriebe so bewegt, dass der Lattenabschnitt immer die Horizontaldistanz anzeigt.
Bild rechts: Eine Kippbewegung des Fernrohrs wird über das Zahnrad Z1 auf der Kippachse K und das Zahnrad Z2 im Verhältnis 1:2 auf die Achse a1 und über die exzentrisch gelagerten Zahnräder EZ1 und EZ2 auf die Achse a2 übertragen, auf der die exzentrische Scheibe Ex sitzt. Dadurch wird die Fassung F der um die Achse a3 beweglichen Strichplatte gehoben oder gesenkt.
Die Distanzmessung mit dem DK-RV verlangt nach einer besonderen Vertikallatte. Links befindet sich die Meterteilung RV mit den zugeordneten Punktmarken. Nachdem mit der Höhenfeinstellschraube der horizontale Strich F1 auf den keilförmigen Nullindex gestellt wurde, kann der schiefe Strich F2 mit der Seitenfeinstellschraube auf die Punktmarke gesetzt werden. An der horizontalen Teilung RH lassen sich die Dezimeter direkt und die Zentimeter geschätzt ablesen. Eine direkte Ablesung der Höhendifferenz wie beim K1-RA gibt es beim DK-RV nicht. Sie muss rechnerisch erfolgen mit dem am Vertikalkreis abgelesenen Tangenswert.
Im Doppelbild-Reduktionstachymeter Kern DK-RT ist im Fernrohr-Strahlengang ein optisches System eingebaut, das eine scheinbare Versetzung des Lattenbildes bewirkt. Die Größe der Versetzung ist ein Mass für die Strecke. Zur Reduktion der gemessenen Schrägdistanz in die Horizontale wirkt ein Drehkeilpaar mit veränderlichem Ablenkungswinkel. Durch Kuppeln der Keile mit der Kippbewegung des Fernrohrs lässt sich die Fernrohrneigung zum gegenläufigen Drehen der Keile benutzen. Sie reduzieren damit die Ablenkung auf mechanischem Weg entsprechend dem Kosinus der Fernrohrneigung α.
Mit zwei Bildern in einer gemeinsamen Bildebene würden störende Mischbilder entstehen. Das Doppelbildfernrohr des DK-RT hat eine völlige Bildtrennung. Sie entsteht durch eine das ganze Fernrohr hindurch reichende mechanische Scheidewand. Um die Kante der Scheidewand trotz des stark vergrössernden Okulars als feine Trennungslinie erscheinen zu lassen, werden die Halbbilder durch einen Doppelkeil ineinandergelegt. Ein Scheideprisma blendet aus der Bildebene einen horizontalen Streifen von 7‘ aus.
Das Distanzmikrometer hat einen Verschiebebereich der beiden Halbbilder gegeneinander von einem ganzen Meter, dank zwei sich entgegengesetzt drehenden Planplatten. Daher erübrigt sich ein Nonius an der Lattenteilung zur Distanzablesung, es genügt ein einfacher Index.
Das Fernrohr kann mit dem Umschaltring zwischen Okular und Fokussierring auf Vollbild umgeschaltet werden. Am Umschaltring ist die Ableselupe für die Messtrommel der Distanzablesung befestigt. Aus ihrer Stellung ist ersichtlich, ob das Fernrohr auf Doppel- oder Vollbild eingestellt ist.
Die Doppelbildlatte ist 1,7 Meter lang und erlaubt Messungen im Bereich von 2,5 bis 166 Meter, eine lange Ausführung mit 2,1 Meter bis 206 Meter. Sehr beliebt im städtischen Bereich war die handliche Kurzlatte von 0,7 Meter für Distanzen bis 60 Meter.
Auf die direkte Messung der Höhendifferenz wurde beim DK-RT bewusst verzichtet. Wie beim DK-RV muss sie mit dem am Vertikalkreis abgelesenen Tangenswert rechnerisch erfolgen.
Der Schweizer Geometer Bosshardt hatte die Idee, den für die optische Streckenmessung notwendigen parallaktischen Winkel mittels Drehkeilpaar vor dem Fernrohr-Objektiv zu erzeugen um es in Abhängigkeit des Höhenwinkels zu steuern. Da die schweizerischen Hersteller dafür kein Interesse zeigten, oder bereits ihre eigenen Ideen verwirklichten, wandte er sich an die Firma Carl Zeiss in Jena. Als Produkt dieser Zusammenarbeit entstand in der Folge der Redta 002. Unter dem Begriff Bosshardt-Zeiss war dieser Doppelbild-Reduktionstachymeter mit horizontaler Messlatte durch seine Leistungsstärke weltweit sehr erfolgreich.
Wie beim Kern DK-RT entstehen von einer horizontalen Latte zwei seitlich gegeneinander versetzte Bilder. Beide Bildhälften erscheinen durch einen geraden Schnitt voneinander getrennt. Im Okular ist ein aufrechtes, seitenrichtiges Doppelbild sichtbar. Der Lattenabschnitt mit 100 multipliziert ergibt die Horizontalstrecke. Die Ausmessung des Restintervalls in dem entstandenen Doppelbild erfolgt mit einer Planplatte, mit der das nicht abgelenkte gegen das abgelenkte Bild messbar verschoben wird.
Möglich ist auch eine Umschaltung von Doppelbild auf Vollbild und für die Ermittlung der Höhenunterschiede ist am Vertikalkreis eine Tangensteilung vorhanden.
Das Reduktionstachymeter Wild RDH unterscheidet sich vom Zeiss Redta durch das umgekehrte Fernrohrbild und der Möglichkeit, die Höhendifferenz direkt an der Horizontallatte zu ermitteln, ohne sie über den Tangenswert am Vertikalkreis berechnen zu müssen. Dazu rotiert man mit einem Umschaltknopf die Drehkeile um 100gon. Man erhält so ein Sinus-Drehkeilpaar, mit dem direkt an der Latte der Höhenunterschied zwischen Instrument (Kippachse) und Latte (Keilmarke am Lattenhalter) abgelesen werden kann.
Zum Umschalten von Doppelbild auf Einzelbild (Vollbild) oder umgekehrt wird das Okular gedreht
Die Tangensteilung am Vertikalkreis haben 1928 Szepassy/Süss in einem Teil des Sehfeldes abgebildet, so dass die gedachten Verlängerungen der Teilstriche als Distanzstriche benutzt werden konnten. Die Firma Filotecnica Salmoiraghi in Mailand ging 1954 mit dem TARI 4180 noch einen Schritt weiter, mit der Einblendung der Tangensteilung im Fernrohrbild. Dadurch erscheinen die Teilstriche im Gesichtsfeld wie die Reichenbachschen Distanzstriche, jedoch mit veränderlichem Abstand je nach der Fernrohrkippung.
Der BRT 006 von Carl Zeiss Jena verwendet eine Basis im Standpunkt. Er funktioniert nach dem Prinzip des Doppelbild-Entfernungsmessers, allerdings mit variabler waagerechter Basis im Standpunkt und konstantem, parallaktischen Winkel im Ziel. Die beiden Teilbilder des waagerecht geteilten Bildes werden durch Verschieben eines Prismas auf der Basis zur Deckung mit dem Teilbild des festen Prismas gebracht. Die Horizontaldistanz kann direkt als Wert der Verschiebung auf der Messschiene abgelesen werden. Ein Glaskeil in der Optik dient als Reduktionseinrichtung.