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Studiensammlung Kern Aarau

Kern & Co. AG - 1819 bis 1991 in Aarau
Werke für Präzisionsmechanik, Optik und Elektronik
Studiensammlung ab 2009 im Stadtmuseum Aarau

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Selber optische Systeme entwickeln und bauen

Im September 1918 beschloss die Generalversammlung der Kern-Aktionäre den Aufbau einer eigenen Optik-Abteilung. Die vollständige Abhängigkeit in der Beschaffung optischer Bestandteile vom Ausland war während des Krieges 1914–1918 ein grosses Problem. Kern wollte unabhängig werden von Zulieferern und selber optische Systeme entwickeln und bauen. Mit Ingenieur Walther Zschokke fand man den geeigneten Mann, der ab April 1919 die neue Optikabteilung leitete, mit der Vorgabe nicht nur für die Vermessungsinstrumente die Optik herzustellen sondern neue Produkte wie Feldstecher, Fotokameras und militäroptische Instrumente zu entwickeln und zu produzieren.

Erste Versuche

In einer ersten Phase entwickelte sich die Optikabteilung sehr erfreulich, allerdings mit Produkten von zum Teil nur kurzer Lebensdauer, mit Filmentwicklungsmaschinen, Projektionsapparaten (1924), psychotechnischen Instrumenten (1926), Kinoapparaten und Stereokinoapparaten (1931) oder Reproduktionsapparaten (1933). Mehr Erfolg hatten ab 1924 die Platten-Photokameras (Bijou, Quarter Plate I/II, Precision, Sport) und später die Rollfilmkameras (Simplo, Rollka), dank ihren hervorragenden Objektiven (Doppel-Anastigmat).

Prismenfeldstecher für militärische und zivile Zwecke

Für aufrechte Bilder sorgen zwei Porro-Prismen

Feldstecher

Mit der Herstellung von Prismenfeldstechern für militärische und zivile Zwecke wurde im Jahr 1925 begonnen. Bereits ein Jahr später erfolgte die erste Lieferung an die Schweizer Armee. Das war der Anfang einer 65 jährigen erfolgreichen Zusammenarbeit.

Aber auch in zivilen Bereichen, bei Jägern, Alpinisten oder Ornithologen waren Kern-Ferngläser sehr beliebt. Eine besondere Stellung nahmen die Focalpin-Modelle ein, die sich dank der Innenfokussierung gegen das Eindringen von Staub und Feuchtigkeit besonders wirksam abdichten liessen.

Für besondere Anwendungen erfreuten sich verschiedene Modelle von Aussichts- und Schiesstand-Fernrohre grosser Beliebtheit. Ihre 15 bis 45 fachen Vergrösserungen erforderten ihren Einsatz auf Stativen. Die Objektivöffnung von 65mm machten sie ideal für die Beobachtungen am Nachthimmel.

Diverse Typen von monokularen Prismengläser rundeten das Angebot im Bereich Sichten und Beobachten ab.

Ein kleiner Ausschnitt aus dem Optikprogramm von Kern

Lose Optik

Mit zunehmender Erfahrung konnte die Qualität und Präzision in der Optikfertigung entscheidend gesteigert werden. Eigens entwickelte und verfeinerte Mess- und Kontrollinstrumente erlaubten Spitzenleistungen in der optischen Glasbearbeitung. Bedeutende Instrumenten- und Maschinenfabriken wurden mit "loser Optik", hochwertigen Prismen, Linsen und Objektiven beliefert.

Einen kurzen Film mit historischen Ausschnitten aus der Optik-Produktion bei der Firma Kern, finden Sie hier:

Prismen, Linsen und Objektive.

Der Beginn einer Erfolgsgeschichte

"Bolex Modell BII" von 1929, mit Kern-Anastigmat 1:2,5, F=25, Fassungsvermögen: 30m, Gewicht 1,7kg, Masse: 18x16x6cm.

Modell mit Photometer Bolex und zwei Achsen für Handkurbel geliefert.

Die ersten Kino-Aufnahme- und Projektionsobjektive von Kern kamen etwa Mitte bis Ende der zwanziger Jahre auf den Markt. Solche Kern-Objektive wurden in Genf von der Bol S.A. in deren Bolex-Filmkameras eingebaut. Konstruiert wurde diese Kamera von Jacques Bogopolsky. Nach der 1930 erfolgten Übernahme der Firma Bol S.A. durch die Paillard S.A. in Sainte-Croix war das mit Kern in Aarau der Anfang einer höchst erfolgreichen Zusammenarbeit.

Diese einmalige Bolex Modell BII befindet sich in unserer Sammlung. Leider ist diese 16mm-Filmkamera nicht mehr voll funktionsfähig, das Kern-Objektiv aus der 1. Serie jedoch ist in einwandfreiem Zustand.

"Ein Stück Schweizer Optik-Industriegeschichte" in zwei Teilen von Rolf Häfliger aus "Photographica Cabinett", das Magazin für Sammler 30/2003, Seiten 22 bis 29 und 31/2004, Seiten 27 bis 34 und im dritten Teil "Kern-Objektive für das Apollo-Raumfahrtprogramm der NASA" in 67/2016, Seiten 5 bis 11.

Photo- und Kino-Objektive

Ende der dreissiger Jahre wurden die ersten Kino-Aufnahmeobjektive hergestellt. Im Jahr 1946 umfasst das Programm 14 Typen, im Jahr 1953 waren es schon deren 20. Ein grosser Erfolg war das 1959 herausgebrachte Switar 1:0,9, das damals lichtstärkste Objektiv der Welt. Es folgten Duomatic-Objektive mit automatischer Blendeneinstellung, Vario- oder Zoom-Objektive mit veränderlicher Brennweite und automatischer Blendeneinstellung. Bis ins Jahr 1964 waren es 1'000'000 Objektive, produziert in den Werken Aarau und Yvar S.A. Genf. Zu diesem Erfolg hatte die Firma Paillard S.A. beigetragen. Die meisten Bolex-Filmkameras waren ausgerüstet mit den Switar Objektiven für die Formate 8mm, Super-8mm und 16mm. Als Höhepunkt dieser erfolgreichen Zusammenarbeit entwickelte und produzierte Kern für die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA mehrere Objektivtypen für die 16 mm DAC Kamera, die bei allen Apollo-Missionen erfolgreich eingesetzt wurden.

Ausführliche Hinweise über Kern-Objektive für verschiedene Kamerahersteller sind hier veröffentlicht: Photographica Cabinett.

Militärische Instrumente

Für die Bereiche Beobachten und Zielen entstand eine Vielzahl von militär-optischen Instrumenten. In den dreissiger Jahren waren es Beobachtungs- sowie Zielfernrohre und Visiere. Für die Firma Contraves, Zürich, wurde ab 1951 der optisch-mechanische Oberteil des Kino-Theodolits EOTS gebaut, er diente der Vermessung der Flugbahn von Geschossen. Richtkreise, Periskope, Reflexvisiere, ein Stereomesskopf und ein Stereomessmikroskop sowie das Blockvisier FERO-Z13 waren die letzten Anstrengungen in den späten achtziger Jahren mit kriegstechnischem Gerät Erfolge zu erzielen (Prospekt Programm 1986).

Medizinische Geräte

Die Gruppe der medizinischen Geräte mit Kreispolarimeter, Mikro-Elektrophoreseapparat, Stereomikroskop, Kolposkop und Kolpograph fand ab 1949 guten Anklang in Ärztekreisen. Die vermutlich ungenügenden Anwenderkenntnisse und die fehlenden Verkaufkanäle führten bereits 15 Jahre später wieder zur Aufgabe dieses Bereiches.