Unter der Industrievermessung versteht man den Einsatz der herkömmlichen Geräte und Methoden der Landesvermessung (Nivelliere und Theodolite) für Einrichtungen, Kontrollen und dimensionellen Messaufgaben an meist grossen, industriell gefertigten Werkteilen oder Produktionsanlagen. Passendes Zubehör, wie Vorsatzlinsen, gebrochene Okulare, stabile Stative und die Autokollimation machten die Geräte industrietauglich. Zahlreiche Artikel in Kern Bulletins 11, 12, 13, 14, 16, 22, 23, 25, 26, 31, 32 beschreiben solche Anwendungen.
Die Einführung der elektronischen Theodolite hat die traditionelle Industrievermessung revolutioniert und ihren Einsatz massiv erweitert. Die mit zwei Theodoliten gemessenen Winkelwerte wurden in Echtzeit auf einen Computer übertragen, um dort die Raumkoordinaten der gemeinsam angezielten Punkte zu berechnen (Vorwärtseinschnitt). Das erste dieser Triangulations- oder Theodolit-Messsysteme (TMS) wurde um 1980 von Hewlett-Packard (hp3822A) auf Anregung von Boeing Aircraft, Seattle entwickelt. Weitere Systeme wie das Keuffel & Esser AIMS, das Zeiss IMS oder das Brunson BETS folgte.
Im Jahr 1982 brachte Kern das ECDS1 - Electronic Coordinate Determination System (entwickelt von der Kern Tochtergesellschaft in den USA, Brewster NY) zunächst auf den US-amerikanischen Markt. Als weitere Mitbewerber auf dem Markt der TMS-Systeme kamen später Geodimeter mit UPM 400 und Wild-Leitz mit RMS 2000 dazu.
Im August 1983 wurde das ECDS1 erstmals in Aarau vorgestellt. Die verwendeten E2 lieferten die genauen Winkelwerte, die Software auf einem PDP Rechner von Digital (DEC) lief unter dem Betriebssystem RT11. Ermutigt durch die Erfolge in den USA, entschied man sich in Aarau das ECDS1 auch in Europa einzuführen. Nach einer aufwändigen Startphase gelang der Durchbruch 1986, als das ECDS2 auf PC unter MS-DOS die Startversion ECDS1 ablöste. Mit bis zu 8 Theodoliten konnte ein Objekt umstellt und von allen Seiten gleichzeitig vermessen werden, die Systemorientierung erfolgte über die aus der Photogrammetrie bekannte Bündelaus-gleichung. Zum Erfolg beigetragen hatten Schlüsselkunden wie Contraves (Zürich), VW (Wolfsburg und Emden), FIAT (Savigliano und Turin), Georg Fischer (Schaffhausen), Gebr. Sulzer AG (Winterthur), Fokker bv Schiphol (Holland). Vor allem Aerospatiale (Toulouse) löste mit ihrem Entscheid für das Kern ECDS2 zahlreiche Folgeaufträge für ihre europäischen Zulieferer aus. Bis zur Übernahme durch Wild-Leitz im Mai 1988 waren weltweit einige Hundert Systeme mit teilweise bis zu vier E2 im Einsatz.
Weitere Artikel zur Industrievermessung in den Kern Bulletins 36, 37, 38, 40.
Bereits 1985 begann man im Auftrag des amerikanischen Automobilkonzerns General Motors, Detroit in Aarau und Brewster mit der Entwicklung einer automatisierten Version des ECDS2 - SPACE (System for Positioning and Automated Coordinate Evaluation) mit motorisierten E2 mit CCD-Kamera (E2-SE) und einer entsprechend intelligenten Steuer-, Bildverarbeitungs- und Berechnungssoftware.
Anfang 1987 ging das Prototypsystem in Detroit in Betrieb. Seriensysteme gingen später an Volkswagen, Airbus Industries und Renault, um nur einige zu nennen.
Nach der Übernahme der Firma Kern durch Wild-Leitz im Jahre 1988 und den strategischen Fusionsentscheiden der neuen Konzernleitung suchte man weltweit nach neuen Produkten zur Erweiterung des Bereiches "Industriemesstechnik".
Ein Patent des US-National Bureaus of Standard (NSB) und die darauf basierende Entwicklung einer kleinen Firma bei Washington DC waren die Basis für SMART 310, das erste mobile 3D-Interferometer. Es ermöglichte erstmals die Erfassung von bewegten Objekten mit einem einzigen Sensor dreidimensional, hochpräzis und bis zu 1000 mal pro Sekunde. Das Interferometer kombiniert mit Winkelsensoren wurde zum genauesten zielverfolgenden Polarmesssystem. Es ist eines der letzten, bei Kern entwickelten Systeme.
Als Laser-Tracker und später als Absolut Laser-Tracker sind diese Systeme zu einem Standard in der modernen Industrievermessung geworden. Sie werden heute mit viel Erfolg von Leica Geosystems Metrology mit Sitz in Unterentfelden bei Aarau weiterentwickelt und vertrieben. Vertreter dieses Systemtyps in der Sammlung ist ein funktionsfähiger LTD500, ein Geschenk von Leica.
Das POM - Programmierbares Optisches Messmittel war eines der letzten grossen Entwicklungsprojekte im Bereich Industriemesstechnik (IMS), eine Auftragsentwicklung der Volkswagen AG, Wolfsburg D in Kooperation von Kern Aarau, Rollei fototechnic, TU Braunschweig und dem Fraunhofer IPK. In der Studiensammlung ist eine von Rollei speziell für das POM entwickelte digitale Grossformatkamera (Rollei RSC) zu sehen.
Eine umfassende Dokumentation von 1993 enthält alle Geräte und Systeme sowie das gesamte Zubehör welches damals im Bereich der Industrievermessung IMS (d/e) angeboten wurde.
Seit 2005 gehört die Leica Geosystems AG zum schwedischen Konzern Hexagon - Metrology, der mittlerweile grössten Messtechnik-Gruppe der Welt.
Das Thema Photogrammetrie ist im gleichen Raum untergebracht. Die Auswertegeräte DSR11 mit GP1, PG21 und ein SD 2000 sind funktionsfähig installiert.